25 Jahre Weltvereinigung für christliche Kommunikation
Die Karibik ist kein Paradies für Medienschaffende. Anfang des Jahres fand der brutale Mord an Jean Dominique, der als erster Radiojournalist in Haiti Nachrichten auf Kreolisch sendete, internationale Aufmerksamkeit. In Trinidad und Tobago werden Teile der Presse vom Premierminister als Staatsfeinde denunziert.
von Glenine Hamlyn
Monseigneur Patrick Anthony aus St. Lucia, Vorsitzender der Karibik-Region der World Association for Christian Communication (WACC), fragt ratlos: Wie kann ein Zusammenschluss christlicher Medienschaffender in einer solchen Situation einen sinnvollen, ja überhaupt einen Beitrag zur Demokratisierung der Medien und zur Bewahrung der Menschenwürde leisten?
Dies ist eine Leitfrage von WACC. Die Organisation wurde nach dem Zweiten Weltkrieg damals noch unter einem anderen Namen von christlichen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren aus Europa und Nordamerika gegründet, die nur zu gut von den negativen wie positiven Einflussmöglichkeiten der Medien wussten. Sie fragten sich, welche Verantwortung Christinnen und Christen in solchen Situationen zukommen konnte. Allmählich erweiterte sich der Blick auch auf andere Regionen der Welt. 1986 gab sich WACC zur Orientierung einige Grundsätze ("Principles"). Eckpunkte sind das Bekenntnis zur ökumenischen Gemeinschaft, das Streben nach partizipatorischen Kommunikationsformen, die Befähigung zur Selbsthilfe, die Achtung kultureller Werte zur Bewahrung der Menschenwürde und die prophetische Aufgabe der christlichen Kommunikation, das heißt ihre Verpflichtung, das Notwendige in einer gegebenen politischen und gesellschaftlichen Situation zu sagen.
Wie sieht das konkret aus? WACC unterstützt zum Beispiel einen Basisradiosender an der Küste Ghanas, der in Lokalsprachen Sendungen zu Genderfragen ausstrahlt. Frauen in den Fischerdörfern gestalten die Sendungen mit. In Lateinamerika will WACC im Rahmen der Entschuldungskampagne im nächsten Jahr ein Treffen für kirchliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Andenregion organisieren, um über Fragen der Kommunikation in der Seelsorge und der Versöhnungsarbeit zu reflektieren. In Ruanda hat sich mit WACC-Unterstützung nach dem Genozid eine Tanzgruppe aus Tutsis und Hutus gebildet, die im Dienste der Versöhnung die gemeinsamen kulturellen Wurzeln sichtbar macht.
Auf überregionaler Ebene vernetzt sich WACC mit anderen Organisationen, um Entwicklungen im Kommunikationssektor zum Beispiel die zunehmende Konzentration der kommerziellen Medien gemeinsam zu analysieren, Konsultationen zu veranstalten und die nationale wie internationale Politik in diesem Sektor zu beeinflussen.
Heute zählen über 850 Organisationen zu den Mitgliedern von WACC. Es sind überwiegend Kommunikationseinrichtungen und in der Kommunikationsarbeit tätige Nichtregierungsorganisationen in aller Welt. Eine größere Zahl an Einzelpersonen gehört ebenfalls der Organisation an. Um Mitglied zu werden, muss man seine Unterschrift unter die WACC-Grundsätze setzen. Zu den Mitgliedern gehört auch das Evangelische Missionswerk in Deutschland (EMW), das über sein Referat für Kommunikationsförderung zu den wichtigsten Stellen gehört, die die WACC-Arbeit finanzieren. Im kommenden Jahr wird das Referat in den Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) integriert.
Präsident der Weltvereinigung für christliche Kommunikation ist zurzeit Dr. Albert van den Heuvel, ein bekannter Radiojournalist und Ökumeniker aus den Niederlanden. Rev. Carlos Valle aus Argentinien leitet die Geschäftsstelle. Im Juli nächsten Jahres übergibt er dieses Amt an Rev. Randy Naylor aus Kanada, der bis 1996 Präsident von WACC war und in ökumenischen Kreisen bekannt ist.
Besucht man die Geschäftsstelle von WACC im Süden Londons, wird man durch einen engen Gang geführt, durch mehrere Feuertüren, Treppe hinauf, Treppe hinunter und will man zum Beispiel zum Büro des Generalsekretärs gelangen über eine Brücke zwischen den beiden WACC-Gebäuden. Das Gebäude ist also ein Spiegelbild des gewachsenen, von Spuren des gebändigten Zufalls gezeichneten Netzwerkes WACC.
Acht Regionen schicken ihre Vertreterinnen und Vertreter zum jährlichen Treffen des Zentralausschusses. Dort wird über die Arbeit des letzten Jahres berichtet und die des kommenden Jahres geplant. Aus Asien, Afrika, Lateinamerika, dem Pazifik, dem Mittleren Osten, der Karibik, Nordamerika und Europa kommen die Delegierten für eine Woche mit dem 18-köpfigen, international besetzten Stab aus London zusammen.
Beim diesjährigen Treffen des Zentralausschusses gab es etwas zu feiern, das 25-jährige Bestehen von WACC. Mit einem Seminar und einem feierlichen Gottesdienst wurde das Jubiläum in Anwesenheit vieler WACC-Engagierten gewürdigt. Im Seminar beschäftigte sich WACC mit der Globalisierung, insbesondere der Globalisierung der Armut. Viele Abhandlungen über Globalisierung haben vorwiegend die wirtschaftlichen und politischen Dimensionen im Blick. Demgegenüber ging es WACC um die Rolle der Massenmedien und der Informationstechnologie sowie die Auswirkungen der Globalisierung auf diese Medien.
Die Tyrannei des Neoliberalismus, so der preisgekrönte Journalist P. Sainath, ist auch eine Art Fundamentalismus,ein "Fundamentalismus des Marktes", und führt zu einer zunehmenden Konzentration der Medien in wenigen Händen. Alternative Stimmen, die nicht der Gewinnmaxime folgen, werden ausgeschaltet. Die Themen werden eintöniger, deren Behandlung oberflächlich und es wird eine einheitliche Kultur überall gefördert, in der kritische Stimmen fehlen.
Bei der Verarmung der Massenmedien werden die Ursachen dieser Entwicklung immer seltener reflektiert. Auch wenn es wie ein Kampf gegen Windmühlen erscheint, versucht WACC, diesem Trend durch die Unterstützung einer Vielfalt von lokal verankerten, von der jeweiligen Zielgruppe getragenen Kommunikationsinitiativen und durch eigene Programme etwas entgegenzusetzen.
Eine der erfolgreichsten WACC-Initiativen ist das Programm "Frauen und Medien". Es hat die Vernetzung von Frauen in aller Welt, die im Kommunikationsbereich arbeiten, die Stärkung des Zugangs von Frauen zu den Medien sowie die kritische Überprüfung der Bilder von Frauen in den Medien zum Ziel. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Entwicklung von Strategien zur Lobbyarbeit für die Formulierung von Leitlinien für eine gendergerechte Medienpolitik auf nationaler wie internationaler Ebene. Anfang des Jahres organisierte WACC zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Media Watch (Kanada) ein "Media Monitoring Project". Weltweit wurden an einem Tag Daten zur Darstellung und zur Beteiligung von Frauen in den Medien erhoben. Die Ergebnisse werden noch in diesem Jahr veröffentlicht.
Und wie sieht es mit den Kirchen aus? WACC organisiert Konsultationen zu Themen wie Kommunikation in der theologischen Ausbildung und unterstützt Initiativen von ökumenischen Stellen, die kirchliche Mitarbeitende in Kommunikationstechniken aus- und weiterbilden. Es ist WACC ein wichtiges Anliegen, kirchliche Institutionen dabei zu helfen, ihre Scheu gegenüber den Medien und den neuen Technologien zu überwinden und sich mit den Entwicklungen im Medienbereich in ihrem Kontext auseinander zu setzen. Die Internetseite von WACC (www.wacc.org.uk) gibt Auskunft über den bevorstehenden weltweiten WACC-Kongress. Vom 3. bis 7. Juli 2001 findet dieses große ökumenische Treffen in den Niederlanden statt. Der Kongress dient der Vernetzung, der Diskussion der Themen, die in den kommenden Jahren von WACC bearbeitet werden sollen und der Diskussion eines Themas aus einer Vielfalt von Perspektiven. Das Thema dieses Kongresses lautet: "Kommunikation: von Konfrontation zur Versöhnung". Der Aspekt der Versöhnung steht dabei im Mittelpunkt: Welche Ansätze gibt es für die Versöhnungsarbeit mit Mitteln der Kommunikation? Neben renommierten Rednerinnen und Rednern wie Ursula Owen, Herausgeberin von Index on Censorship, werden viele Gruppen Gelegenheit haben, ihre Theaterstücke, musikalischen Darbietungen und andere kulturelle Programme zu präsentieren.
Wie komplex Versöhnungsprozesse sind, wie viel Geduld vonnöten ist, um die Schritte der Versöhnung zu gehen, zeigt die Arbeit von WACC mit ihren Partnern in Haiti. In mühsamer Kleinarbeit hat WACC in den Jahren 1997 und 1998 Verbindungen zu Basisradios und anderen Kommunikationseinrichtungen in dem Land aufgebaut und sie unter anderem auch finanziell unterstützt.
Eine Delegation, bestehend aus einer Vertreterin und einem Vertreter der WACC-Karibik-Region, dem Vorsitzenden der WACC-Afrika-Region sowie zwei WACC-Stabsmitgliedern, besuchte Haiti im Jahr 1999, um die dortigen Programme gemeinsam mit den Projektträgern zu evaluieren. Sie waren vom Mut der kleinen Radios und Printmedieninitiativen beeindruckt und von deren positiver Auswirkung auf das Selbstbewusstsein der ärmsten Bevölkerungsgruppen.
Sie haben gesehen, wie sich kleine Solidaritätsgruppen gebildet und Menschen angefangen hatten, sich neue Fertigkeiten anzueignen. Bald nach dem Besuch traf sie aber die Nachricht vom Tod des Jean Dominique und von der Verwüstung des Studios eines der Partner in Haiti, Radyo Inite in Saint-Michel de l'Attalaye. Wurde damit ein wichtiger Beitrag zu einer menschenwürdigeren Kommunikation zunichte gemacht? Nein, versicherte der Vertreter eines anderen Radiosenders in Haiti auf der Sitzung des Zentralausschusses im Juni. Die Versöhnung braucht eben einen sehr langen Atem.
aus: der überblick 04/2000, Seite 130
AUTOR(EN):
Glenine Hamlyn:
Glenine Hamlyn ist Koordinatorin der Förderung internationaler Kommunikationsprogramme im "Evangelischen Entwicklungsdienst" (EED) in Bonn.