Die Arbeit der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung
Morgens um neun ist es nicht leicht, einen Saal mit einem entwicklungspolitischen Thema zu füllen. Aber die Terminkalender der Politiker sind unerbittlich. Zudem fiel der Jahrestag der Kölner G7 Beschlüsse zum Schuldenerlass für die ärmsten Entwicklungsländer noch auf einen Montag, und entsprechend gedämpft waren die Erwartungen der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), als sie gemeinsam mit der Erlassjahrkampagne nach Berlin einlud, um Bilanz zu ziehen.
von Jürgen Hambrink
Die Reihen waren dann doch gut gefüllt im noblen Blauen Saal im Haus der EKD am Gendarmenmarkt. Die Entwicklungsministerin, Frau Wieczorek-Zeul, der das Thema unverkennbar am Herzen liegt, glänzte mit einem engagierten Beitrag, und die ausländischen Gäste brachten ihre Beobachtungen zum Fortgang der Entschuldungsinitiative in ihren Heimatländern gekonnt auf den Punkt. Trotz aller Schwierigkeiten bei der Umsetzung, so das gemeinsame Resümee, eröffnen die Beschlüsse große Chancen einer wirksamen Entschuldung und nachhaltigen Entwicklung. Und Übereinstimmung gibt es auch darüber, dass es sich lohnt, wenn Kirchen, Entwicklungseinrichtungen und Politik das Gespräch dazu weiterführen.
Die Verschuldung und die Weiterführung der "Entschuldungsinitiative für die ärmsten Länder" (HIPC) ist derzeit ein Arbeitsschwerpunkt der GKKE.
Die GKKE ist seit den 70er-Jahren eine im politisch-parlamentarischen Raum nicht unbekannte Größe. Den Vorsitz haben der Bevollmächtigte des Rats der EKD und der Leiter des Kommissariats der Bischofskonferenz. Als Lobbyeinrichtung durch die damalige Arbeitsgemeinschaft Kirchlicher Entwicklungsdienst auf evangelischer Seite und die Deutsche Kommission Justitia et Pax auf katholischer Seite gegründet, greift sie seither Fragen der Nord-Süd-Beziehungen auf und thematisiert sie gegenüber politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsträgern.
Zum Kölner Gipfel hatte die GKKE einen internationalen Kongress "Politische Steuerung der Globalisierung" veranstaltet und dazu auch ein Positionspapier vorgelegt. Als es dann im Herbst 1999 darum ging, die Ergebnisse des Gipfels zu bewerten, hatten die internationalen Finanzinstitutionen inzwischen ihre weitreichenden Beschlüsse gefasst und Entschuldung, Armutsbekämpfung und Stärkung der Zivilgesellschaft zu einem verlockenden Paket geschnürt. Es war für die GKKE nahe liegend, nun nicht einfach nur die Beschlüsse abzuhaken, sondern mit der neuen Situation konstruktiv umzugehen. Folgerichtig wurden Nichtregierungsorganisationen, kirchliche Hilfswerke und Initiativen zu einem ersten Meinungsaustausch mit dem Entwicklungsministerium BMZ und der Weltbank eingeladen um herauszufinden, wie die geschaffenen Möglichkeiten am besten genutzt werden könnten. Das dazu anberaumte Fachgespräch im November des gleichen Jahres stellte die Weichen für einen kontinuierlichen Austausch der deutschen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen unter dem Dach des Arbeitskreises Armutsbekämpfung beim BMZ. Daran beteiligt sich auch die GKKE.
Die GKKE setzte dann verstärkt darauf, auch den Dialog mit den internationalen Finanzinstitutionen weiterzuführen. Dazu stellte sie selbst die Plattform zur Verfügung und veranstaltete Fachgespräche mit Vertretern der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds, die an strategischen Punkten der Entschuldungsinitiative arbeiten. Vor allem geht es um die Armutsbekämpfungsstrategien, die unter prominenter Beteiligung nichtstaatlicher Gruppen in den Entwicklungsländern formuliert werden sollen.
Gibt es dazu tragfähige Kriterien, die erfüllt sein müssen, um den Schuldenerlass zu gewähren? Die GKKE ist mit den kirchlichen Hilfswerken der Meinung, dass in der sorgfältigen Gestaltung dieser Vorgabe eine große Chance für Partizipation und eine Entwicklung zur Demokratie liegt.
Nur kostet eben eine Partizipation, die diesen Namen verdient, ihre Zeit. Das aber steht im Widerspruch zu dem Ziel einer raschen und umfassenden Entschuldung, wie sie sachlich zweifellos geboten ist. Welche angemessene Lösung kann hier gefunden werden? Gesprächsgegenstand ist auch, ob der IWF wirklich die Bereitschaft aufbringen wird, der Armutsbekämpfung Vorrang zu gewähren und seine Politik der Strukturanpassung entsprechend zu revidieren. Genug Fragen also, um sich auf einen Dialog einzulassen.
Es ist generell eine der prägenden Arbeitsweisen der GKKE, Akteure unterschiedlichen Zuschnitts miteinander in ein verbindliches Gespräch zu bringen. Dabei geht die GKKE nicht voraussetzungslos in solche Gespräche. Sie bereitet ihre eigenen Sichtweisen in aller Regel durch die Beratungen in eigens dafür eingerichteten Fachgruppen vor. Hier bindet die GKKE Erfahrungen ein, die über den Kreis der Hilfswerke oder der engeren kirchenleitenden Zirkel hinausgehen. Es geht dabei auch um die Erschließung externen Sachverstands. Fachgruppen existieren derzeit unter anderem zu den Problemkreisen Rüstung und Entwicklung und zur entwicklungspolitischen Kohärenz. Dies sind Themen, die neben der Verschuldungsproblematik längerfristig verfolgt werden.
Entscheidend für die jetzige Arbeitsweise der GKKE sind die Erfahrungen des Ökumenischen Dialogprogramms "Entwicklung als internationale soziale Frage", das von 1992 bis 1996 durchgeführt wurde. Es hat der GKKE deutlich gemacht, dass Dialoge offen angelegt sein sollen, aber auch ergebnisorientiert geführt werden müssen. Dies setzt zum einen voraus, über eine fachlich vertiefte Position zu verfügen, wozu sich die Einrichtung der schon erwähnten Fachgruppen bewährt hat. Notwendig ist es aber auch, Themen und ihre Zuspitzung nicht im Alleingang vorzunehmen, sondern dazu auch den Austausch mit den Partnern der Kirchen und ihrer Werke zu suchen.
Im Hinblick auf die weitere politische Mitgestaltung der Entschuldungsinitiative liegt hier angesichts des im Süden weit verbreiteten grundlegenden Misstrauens gegenüber den internationalen Finanzinstitutionen eine der dringlichen Aufgaben der allernächsten Zeit.
aus: der überblick 04/2000, Seite 132
AUTOR(EN):
Jürgen Hambrink :
Jürgen Hambrink ist Geschäftsführer der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE).