Ein Fachgespräch kirchlicher Hilfswerke und ihrer Partner
Brot für die Welt (BfdW), Misereor und Evangelischer Entwicklungsdienst (EED) veranstalteten am 12. Oktober in der Katholischen Akademie zu Berlin ein Fachgespräch zu Entschuldung und Armutsbekämpfung. Partner der Hilfswerke aus Bolivien, Kamerun, Mosambik und Uganda, zehn Abgeordnete des Bundestagsausschusses für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Fachleute und die Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul debattierten miteinander.
von Peter Lanzet
Im Zentrum standen die Erfahrungen der Partner der kirchlichen Hilfswerke und der Entschuldungsnetzwerke im Süden bei dem Versuch, die Möglichkeiten zur Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Initiative der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds zur Entschuldung und Armutsbekämpfung in den hochverschuldeten Ländern (HIPC-Inititiative) zu nutzen. Im Anschluss daran debattierte ein Podium mit der Bundesministerin, dem entwicklungspolitischen Sprecher der CDU/CSU Fraktion Klaus-Jürgen Hedrich, dem Bischof der La Paz-Diözese in Bolivien, Msgr. Abastoflor und Jochen Lindau, dem Programmdirektor von BfdW.
Im Vergleich zu anderen Ländern auf der "HIPC-Liste" sind Bolivien und Uganda auf dem Weg zur Eigennutzung frei gewordener Schuldendienste für die Armutsbekämpfung bereits weit vorangekommen. Beide erhalten Schuldennachlässe von 85-90% der bi- und multilateralen Schulden. Eine Bedingung für die Entschuldung ist die Formulierung von Strategien zur Bekämpfung der Armut auf der Basis der frei gewordenen Schuldendienste, sonstigen Haushaltsmitteln und Transferleistungen. In Bezug auf die Wirkung der Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure an diesen Strategiepapieren haben beide Länder Standards gesetzt.
Zu den Erfolgsvoraussetzungen ihrer Beteiligung in Bolivien gehört der hohe Koordinations- und Vernetzungsgrad der Zivilgesellschaft. Nicht zu unterschätzen ist dabei die aktive Rolle der katholischen Kirche. Sie hat es verstanden, die divergierenden zivilgesellschaftlichen Vorstellungen verschiedener Bewegungen und nationaler Nichtregierungsorganisationen zu koordinieren und dem Prozess Glaubwürdigkeit zu verleihen. Zwar wird die Umsetzung der Armutsbekämpfungsmaßnahmen von den Behörden allein durchgeführt, aber die zivilgesellschaftlichen Akteure, darunter die Kirchen, haben eine weitgehende gesellschaftliche Kontrolle des Regierungshandelns durchgesetzt.
Auch in Uganda gehören der gute Organisationsgrad und fähige Führungspersönlichkeiten zu den wichtigen Erfolgsbedingungen für die wirksame Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Formulierung der Armutsbekämpfungsstrategien. Die Offenheit, ja einladende Haltung der Regierung spielte darüber hinaus eine zentrale Rolle. Die durch den Schuldenerlass frei gewordenen Mittel fließen in einen Sonderfonds für Armutsbekämpfung, über dessen Verwendung das Entschuldungsnetzwerk mit befindet.
Die zivilgesellschaftlichen Akteure in Kamerun und in Mosambik stehen dagegen eher noch am Anfang ihrer Selbstorganisation für eine wirksame Beteiligung an der Ausarbeitung der Armutsbekämpfungsstrategien ihrer Regierungen. Mosambik will seine Strategie im März 2001 vorlegen. Das im Zusammenhang mit den Flutschäden für Mosambik beschlossene Schuldenmoratorium endet, und das Land will Schuldendienstzahlungen nur im geringst möglichen Umfang wieder aufnehmen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung will sich dafür einsetzen, das Moratorium bis Oktober 2001 zu verlängern - auch um bessere Chancen für eine zivilgesellschaftliche Beteiligung zu schaffen.
Die Interimsplanung für die Armutsbekämpfung in Kamerun durch die Regierung wurde am 11. Oktober 2000 von Weltbank und IWF angenommen. Nun plant Kamerun die Vorlage seines endgültigen Strategiepapiers im Oktober 2001. Bei der Erarbeitung des Interimspapiers hatte die Regierung zivilgesellschaftliche Akteure nur im Rahmen einer oberflächlichen Befragung einbezogen. Bei dem gegebenen Zeitdruck, davon gehen die Gäste des Fachgesprächs aus Yaoundé aus, wird das gleiche Vorgehen auch für das endgültige Strategiepapier gewählt werden.
Im ethnisch außerordentlich heterogenen Kamerun mit sensibler Machtbalance fehlt überdies bisher ein von allen wesentlichen Akteuren der Zivilgesellschaft akzeptiertes Entschuldungsnetzwerk. Die im Club de Yaoundé (Partner des EED) zusammengeschlossenen protestantischen, katholischen und islamischen Bildungseinrichtungen haben noch keine Kooperationsperspektive mit anderen Akteuren der Zivilgesellschaft entwickelt und sich die Armutsbekämpfung noch nicht als Gesamtaufgabe zu Eigen gemacht. Die Einigung auf eine gemeinsame Plattform und die Erarbeitung einer tragfähigen Alternative zu den Armutsbekämpfungsstrategien der Regierung in nur einem Jahr stellen eine kaum lösbare Aufgabe dar.
Im Verlauf des Podiumsgesprächs wurde von Regierungs- und Oppositionsseite eher am Rande auf die Möglichkeiten und Grenzen der Beteiligung der Zivilgesellschaft eingegangen. Aber die Bedeutung wurde hervorgehoben, die dieser Beteiligung für die Effizienz und Verteilungsgerechtigkeit der Armutsbekämpfung zugemessen wird. Abgeordnete und Ministerin forderten die kirchlichen Hilfswerke auf, ihre Partner in den HIPC-Ländern nach Möglichkeit für einen konstruktiven Beitrag bei der Erarbeitung und Umsetzung der nationalen Armutsbekämpfungsstrategien zu befähigen und zu unterstützen.
Die Ministerin erhielt viel Zustimmung für ihre Forderung "Entschuldung braucht Ölnachschlag", womit sie auf die gegenwärtigen Devisenverluste der hochverschuldeten Länder hinwies. Sie sprach sich dafür aus, die Einbeziehung der Länder mittleren Einkommens in die Entschuldung weiter voranzutreiben, ohne allerdings der politischen Zustimmung und finanziellen Deckung dieser Forderung zurzeit eine große Chance einzuräumen. Msgr. Abastoflor formulierte die Kritik vieler Akteure der Zivilgesellschaft aus dem Süden an der HIPC- Initiative so: "Sie ist zu widersprüchlich, zu gering und zu langsam" und führte dazu aus:
Msgr. Abastoflor verteilte aber auch Lob, sowohl an die Bundesministerin als auch an die Erlassjahrbewegung für ihre Rolle bei der Erweiterung der HIPC- Initiative. Er forderte eine nachhaltige Entwicklungspolitik für die Länder des Westens. Ferner sprach er sich für die Verstärkung des Druckes auf die Regierungen der HIPC-Länder: "Eine partizipative Politik der Armutsbekämpfung muss durchgesetzt werden."
Beim HIPC-Verfahren haben sich Weltbank und IWF das letzte Wort vorbehalten: Sie sind die Instanzen, die einen nationalen Entschuldungs- und Armutsbekämpfungsplan nach den Hauptkriterien Armutsbekämpfung, Wirtschaftswachstum, gute Regierungsführung und Beteiligung der Zivilgesellschaft beurteilen und bewilligen.
Der Zeitdruck wird in einer Reihe von Ländern einen gemeinsam getragenen Beitrag der Zivilgesellschaft zur Strategieplanung verhindern. Ein ernsthaftes Interesse von Regierungsseite an einer intensiven Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Planerstellung wird wohl eher ein Ausnahmefall bleiben. Deshalb müssen zivilgesellschaftliche Akteure die Gelegenheit für Beteiligung zum Zeitpunkt des Beurteilungsprozesses von Weltbank und IWF nutzen, zum Beispiel durch eine kompetente Kritik an den vorgelegten nationalen Strategien. Unklar ist aber, welche Wirkungen ein Einspruch von Organisationen der Zivilgesellschaft gegen staatliche Pläne haben kann.
Für die Hilfswerke ergibt sich als Fazit aus der Veranstaltung die deutliche Aufforderung, mit den Partnern im Süden in einen Dialog über konkrete Unterstützungsmöglichkeiten zur Stärkung ihrer Position, Kompetenz und Vernetzung einzutreten. Gleichzeitig bleibt der politische Dialog in der Bundesrepublik, auf der Ebene der europäischen Entwicklungspolitik und der multilateralen Organisationen auf der Tagesordnung. Die Hilfswerke müssen jetzt verstärkt sowohl in Richtungen Verbesserung der Partnerkapazität als auch in Richtung Politikdialog weiterarbeiten.
aus: der überblick 04/2000, Seite 133
AUTOR(EN):
Peter Lanzet :
Peter Lanzet ist Referent in der Evangelischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe (EZE).