Qual der Wahl
Im Jahr 2003, so hatte die Bevölkerung Togos wenigstens ein wenig gehofft, werde sich Präsident Eyadéma auf sein Altenteil zurückziehen. Doch nach drastischer Wahlfälschung gehen nun die "Sicherheitskräfte" um so schärfer gegen Oppositionelle vor.
von Helga Schuster
Am 6. Juni 2003 gratulierte der französische Staatspräsident, Jacques Chirac, seinem Amtskollegen in Togo, General Gnasingbé Eyadéma, zu dessen erfolgreicher Wiederwahl am 1.Juni 2003 - dem Mann, der ihm und der Öffentlichkeit anlässlich eines Staatsbesuches 2001 das "Ehrenwort eines Soldaten" gab, gemäß der togoischen Verfassung nicht mehr für eine dritte Amtsperiode zu kandidieren, sich nach 36 Jahren an der Spitze des Landes aus der Politik zurückzuziehen und sich "in seinem Dorf auszuruhen", da er weder "als Präsident geboren (sei), noch als Präsident sterben" werde.
2003 sollte also das lange herbeigesehnte Jahr sein, in dem das Fünf-Millionen-Volk in dem kleinen handtuchförmigen Land an der afrikanischen Westküste endlich den verhassten Diktator loswerden sollte, der sich auf der internationalen Bühne so gerne als der weise Friedensstifter und demokratischen Staatsmann darstellt - und der in seinem eigenen Land, eine breite Spur von Blut und Tränen hinter sich herziehend, das installierte, was man dort "la stabilité" nennt - jene Atmosphäre von Angst, Misstrauen und Gottergebenheit, die in die Agonie mündet, die längst sämtliche Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens erfasst und das Land so fest im Griff hat wie die feuchte Schwüle die Hauptstadt Lomé zu Zeiten der großen Hitze im Mai.
Einmal mehr sollten sich die Togoer getäuscht sehen in ihrer naiven Hoffnung, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit friedlich, ohne größeres Blutvergießen, als Geschenk des lieben Gottes in die bereits seit über zehn Jahren gezimmerte Wiege der Demokratisierung gelegt zu bekommen. Einmal mehr wusste die herrschende Clique um Eyadéma, eher ermutigt als stillschweigend geduldet von ihren Komplizen an der französischen Staatsspitze und kaum gehindert von einer gespaltenen und verschlafenen Opposition, eine Situation des Wandels auszunutzen. Sie hat ihren Staatsstreich von oben weitergeführt, der die Verfassung, die das Volk der korrupten Führung Anfang der neunziger Jahre abgetrotzt hatte, immer weiter entstellt und Togo zur stabilen Präsidialkleptokratur verkommen ließ.
Ein Rückblick auf die letzten Jahre macht das deutlich: Weil das Regime systematisch den politischen Dialogprozess konterkarierte, verließen die Oppositionsvertreter im Jahr 2001 entnervt diese Veranstaltung. Hierauf wurde die bis dahin zwischen Opposition und Regierung paritätisch besetzte unabhängige Wahlkommission dem Innenministerium unterstellt und der Opposition nur noch Minderheitsstatus eingeräumt. Flugs wurden dann im Oktober 2002 Parlamentswahlen abgehalten, die so hanebüchen vorbereitet und durchgeführt wurden, dass die Opposition zum Boykott aufrief, der von 80 Prozent der Bevölkerung auch eingehalten wurde. Als Ergebnis kam ein Abgeordnetenhaus zusammen, das aus Abgeordneten der ehemaligen Staatspartei Rassemblement du Peuple Togolais (RPT) und einigen durch diese selbst und zu diesem Zwecke eigens gegründete Parteien der "konstruktiven Opposition" zusammengesetzt ist.
Dieses Parlament änderte durch eine "wie in allen Demokratien der Welt übliche Verfassungsbereinigung" den Passus, dass ein gewählter Präsident höchstens zwei Wahlperioden lang im Amt bleiben darf, schlicht in sein Gegenteil. Im selben Aufwasch wurde das Gesetz zur Präsidentschaftswahl so verändert, dass nur noch ein einziger Wahlgang und die relative Mehrheit ausreichen und dass Kandidaten mindesten zwölf Monate vor der Wahl ununterbrochen im Lande residieren müssen, um überhaupt zugelassen zu werden. Letzteres diente dazu, Eyadémas schärfsten Widersacher, Gilchrist Olympio von der Wahl auszuschließen. Seit einem Mordanschlag im Jahr 1997, von dem es heißt, Eyadéma selbst habe ihn angeordnet, lebte dieser im Exil.
Die Togoer erfuhren von diesen Veränderungen des Wahlrechts - wenn überhaupt - meist aus dem internationalen französischen Rundfunk RFI und rieben sich verwundert die Augen ob so viel plötzlichen Aktionismus. Nach den Präsidentschaftswahlen von 2003 geht der Staatsstreich von oben ungebremst weiter. In einer Verlautbarung vom 7. Juli 2003 kündigte Parlamentspräsident Ouattara Famabaré Natchaba, der gerne mit Goebbels verglichen wird, an, das seit 1991 bestehende Parteiengesetz ändern zu wollen, um "zu verhindern, dass gewisse politische Parteien sich in terroristische Banden verwandeln". Ihr Vergehen: "Antipatriotisches Verhalten", da diese die EU auffordern, weiterhin nicht mit der Regierung Togos zusammenzuarbeiten. Ein weiteres Mal um den Wahlsieg betrogen, hatten die Oppositionsparteien abgelehnt, sich unter Eyadéma an einer Regierung der "nationalen Versöhnung" zu beteiligen. Jetzt ist im Gegenzug offenbar ein Verbot der ohnehin aufgrund massiver Verfolgung durch die Staatsorgane kaum handlungsfähigen Oppositionsparteien in Vorbereitung.
In den ersten vier Wochen seit der Wahl und nach der feierlichen Vereidigung des alten, neuen Präsidenten durch das Verfassungsgericht (jenem gleichgeschalteten Organ staatlicher Gesinnungsjustitz, das aber erst einige Tage nach Chiracs eilfertiger Anerkennung der Wiederwahl Eyadémas die Wahlergebnisse für rechtmäßig erklärte) sah sich das togoische Volk Realitätsverfälschungen orwellschen Ausmaßes gegenüber. Da wuchsen Wahlbeobachter aus aller Herren Länder wie Pilze aus dem Boden und bescheinigten eine im Ganzen transparente, demokratische Wahl. Da wurde den Sicherheitsorganen durch die Delegation der Francophonie eine verantwortungsvolle Wahrnehmung ihrer Aufgaben bescheinigt. Gerade auf dieser letzten Beobachterdelegation ruhten gewisse Hoffnungen auf eine den Realitäten entsprechende Berichterstattung, doch weit gefehlt. Auch diese dem früheren senegalesischen Präsidenten Diouf unterstellte Delegation stellte Eyadéma einen Persilschein aus, ebenso wie die zahlreichen (und reich entlohnten) weiteren "Beobachter", die das Eyadéma-Regime selbst bestellt hatte, darunter - man höre und staune - "offizielle deutsche Beobachter". Eine Krähe hackt der anderen nun einmal keine Auge aus - auch Diouf hatte sich lange Jahre gegen eine Demokratisierung seines Landes gesträubt. Lediglich der derzeitige Präsident Senegals, Abdoulay Wade, besaß ausreichend Rückgrat, die senegalesischen Beobachter als Privatpersonen zu bezeichnen.
Die deutsche Botschaft in Lomé blieb stumm zu den Ereignissen, Botschafter Papenfuß hatte sich rechtzeitig vor den Wahlen in den Urlaub und die anschließende Pension abgeseilt. Auch die Amerikaner blieben den Ereignissen gegenüber auffallend indifferent - entgegen ihren Gepflogenheiten, laut zu lamentieren, wenn die Franzosen mal wieder zu sehr danebengreifen. Bush gratulierte gar Anfang Juli 2003 Eyadéma und übermittelte seine "innigen und wärmsten Glückwünsche". Verwunderlich ist das nicht, wurde doch am 16. Juni die bilaterale Vereinbarung zwischen Togo und den USA unterschrieben, die vorsieht, dass amerikanische Staatsbürger von der Verfolgung durch den UN-Strafgerichtshof in den Haag auszuschließen sind.
Transparent war für die Togoer indes lediglich, dass in kaum einem Wahllokal die Stimmabgabe und -auszählung regelmäßig verlief. In Lomé, Kpalimé und Atakpamé, den wichtigsten Städten des Südens und auf dem Lande glichen sich die Szenarien, wie Umfragen in Kirchenkreisen ergaben: Urnen waren bereits vor Beginn der Stimmabgabe voller Stimmzettel, auf denen das Maissymbol - das Emblem der einstigen Staatspartei RPT - mittels Fingerabdruck markiert war. In einer Vielzahl von Wahllokalen konnte mit der Stimmabgabe erst gar nicht begonnen werden, weil die Urnen durch die erboste Bevölkerung zerstört worden waren. In anderen Wahllokalen verlief die Stimmabgabe einigermaßen normal - wobei normal durchaus auch die vielfache Stimmabgabe einzelner Personen mittels mehrerer Wählerkarten ist, ebenso wie der Umstand, dass in Landstrichen, die der Opposition zugerechnet werden, Wählerkarten nur an etwa die Hälfte der Wahlberechtigten ausgegeben wurden.
Die Auszählung in vielen Wahllokalen wurde dann durch Militär unter Einsatz von Waffen- und Tränengas gestoppt. Die Bilanz: mindestens drei Tote, eine unübersehbare Zahl Schwerverletzter. Wahlurnen, Stimmzettel und Auszählungsprotokolle wurden danach "sichergestellt" - und schließlich vollkommen unüberprüfbare Ergebnisse präsentiert. In den wenigen Fällen, in denen vor der Beschlagnahme Auszählungen zu Ende geführt werden konnten, hatte laut Zeugenaussagen der im Süden bedeutendste Oppositionskandidat, Bob Akitani als Vertreter des von der Wahl ausgeschlossenen, charismatischen Gilchrist Olympio, rund 85 Prozent der Stimmen erreicht. Im offiziellen Wahlergebnis waren es dann nur noch 10 Prozent und Eyadéma hatte 85 Prozent.
Im Norden des Landes, der Herkunftsregion des Diktators, soll Eyadéma nach offiziellen Angaben bis zu 90 Prozent der Stimmen abgeräumt haben - was wiederum Schätzungen von Beschäftigten der christlichen Kirchen der Region widerspricht, die von einem Stimmenanteil zwischen 70 und 80 Prozent für den ebenfalls aus der Region stammenden Dahuku Péré, einem ehemaligen RPT-Generalsekretär und inzwischen Oppositionellen, ausgehen.
Offensichtlich in der irrigen Annahme, auf regelmäßigem Wege eine komfortable Mehrheit für Eyadéma erlangen zu können, wurden dort zunächst echte Auszählungen vorgenommen. Deren für den Präsidenten desaströse Ergebnisse hatten jedoch zur Folge, dass flugs Präfekten und Unterpräfekten in Militärbegleitung herbeieilten und im Zuge einer "Nachauszählung" die Ergebnisse nach der im Süden gängigen Praxis korrigierten. In einer Vielzahl anderer Wahllokale des Nordens wurden die Oppositionsvertreter in den Wahlkomitees durch Rollkommandos der Parteijugend zum Teufel gejagt und sodann auf Vorschlag der jeweiligen Vorsitzenden (selbstredend treue RPT-Kader) ein Stimmenanteil von 100 Prozent für Eyadéma an die regionalen Auszählungsstellen gemeldet.
Im amtlichen Endergebnis werden, um den demokratischen Anschein zu wahren, Eyadéma 57,78 Prozent der Stimmen zugerechnet, Akitani 34,14 Prozent und dem RPT-Abweichler Péré 2,26 Prozent. Bei einer regelgerechten Auszählung der abgegebenen Stimmen dürfte Akitani unabhängigen Schätzungen zu Folge 30 bis 40 Prozent erreicht haben, Péré und Eyadéma jeweils knapp unter 25 Prozent.
Direkt nach der Wahl sahen sich die Togoer in die Zeiten finsterster Diktatur zurückversetzt. Bereits vor der Wahl war es unter Strafe gestellt, "unwahre" Behauptungen über Verfassungsorgane wie Präsident Eyadéma, das Parlament oder Regierungsmitglieder aufzustellen - selbstredend bestimmten letztere selbst über wahr und unwahr. Gleichwohl gab es einen relativ freien und euphorischen Wahlkampf mit großer Mobilisierung und öffentlicher Demonstration abweichender Gesinnung. Kaum war die "Wahl" erfolgt, wurde die Bevölkerung einem wahren Terror des Militärs ausgesetzt. Unter der Führung von Eyadémas Mann fürs Grobe, seinem erstgeborenen Sohn Colonel Ernest Gnasignbé wurden Oppositionelle durch eigens hierfür abgestellte Einheiten systematisch verfolgt, misshandelt und inhaftiert. In den Nächten nach der Wahl beeilten sich die Menschen vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause zu sein, da offensichtlich systematisch Listen abgearbeitet wurden und Menschen spurlos verschwanden. Gleichzeitig wurde bekannt, dass sich eine Vielzahl einfacher Soldaten, die ihre Stimmen zwei Tage vor dem offiziellen Wahltermin unter Aufsicht abzugeben hatten, seit dem 2. Juni en mission befinde - das gebräuchliche Kürzel für die Reise ohne Wiederkehr.
In Atakpamé, rund 160 Kilometer nördlich von Lomé, und in Kpalimé, 120 Kilometer nord-westlich, überfielen und verprügelten Militärs während mehrerer Tage wahllos Passanten, wobei peinlich darauf geachtet wurde, dass die beteiligten Soldaten nicht aus der Region stammten. Jedoch erweist sich dies als zunehmend schwierig. So wurden durch den Schlächter Ernest Gnasingbé mehrere Hundert Söldner aus dem Tschad und ehemalige RUF-Kämpfer aus Sierra Léone rekrutiert, die nicht nur an der Wahl teilnahmen, sondern auch danach bar jeglicher Skrupel auf Wehrlose eindroschen. Drei Journalisten oppositioneller Zeitungen werden derzeit in Haft gehalten, allein für das Vergehen, Fotos von Opfern dieser staatlichen Prügelorgien eingescannt und im Computer gespeichert zu haben. Im bevölkerungsreichen Süden des Landes, wo die Ablehnung Eyadémas einhellig war, hielten nach Bekanntgabe der ersten "Ergebnisse" Schlägertrupps unter der Führung der zahlreichen männlichen Nachkommen des Diktators Siegesumzüge in vielen Städten und Dörfern ab und veröffentlichten Glückwunsch- und Ergebenheitsadressen an Eyadéma im Namen der örtlichen Bevölkerung.
Immer deutlicher wird, dass die relativen Freiheiten des Wahlkampfes - der natürlich zu jeder Zeit durch Eyadéma dominiert wurde, da dieser sich des Fernsehens und des Rundfunks, aber auch aller Mittel des Staates wie Militär, Staatsbetriebe und dergleichen bedienen konnte - lediglich dazu dienen sollte, Abweichler sichtbar zu machen, um sie danach um so einfacher verfolgen zu können. Bereits vor der Wahl tauchten vereinzelt Militärpatrouillen im Straßenbild Lomés und der anderen Städte auf, die augenscheinlich speziell zu diesem Ereignis mit fabrikneuen Kleinlastwagen mit fest montierten schweren Maschinengewehren ausgerüstet worden waren. Seit der Nacht nach der Wahl vervielfachte sich die Zahl dieser schnellen, mobilen Einheiten.
Ferner hatten drei bekannte, von der Bevölkerung als Auftragsmörder bezeichnete Männer, die auch zu normalen Zeiten völlig unbehelligt von der Justiz ihrem blutigen Handwerk nachgehen, zur Wahl neue, schwere Motorräder bekommen, zusätzlich zu den "Sonderrechten" im Verkehr, die sie ohnehin besitzen. Seit der Wahl befinden sich die Städte des Südens, besonders nächtens, fest in der Hand des Militärs; Hunderte bis an die Zähne bewaffnete Uniformierte lungern an Straßenecken und unter Vordächern herum, bevölkern die kleinen Bars, zeigen Präsenz mittels Fahrzeug- und Fußpatrouillen und drangsalieren die Bevölkerung. Viele sprechen, da als Söldner importiert, kein Französisch. In Kara, der Heimatstadt Eyadémas im Norden des Landes sind so viele Soldaten wie eh und je zu sehen - jedoch bleibt die Bevölkerung zu Hause, da sich auf dem Markt und in den Geschäften und Bars plötzlich zwielichtige, unbekannte Gestalten herumdrücken, die offensichtlich beauftragt sind, regimekritische Äußerungen weiterzumelden.
Und so legt sich über das auf den ersten Blick bunte Treiben der Städte und Dörfer Togos erneut das Leichentuch nackter Angst und Entsetzens und verdeckt bislang Wut und Enttäuschung der Bevölkerung über das eigene Unvermögen, sich der Diktatur zu entledigen. Was bleibt, ist die vage Hoffnung, das Problem Eyadéma möge sich in nicht allzu ferner Zukunft biologisch lösen. Zumindest machte Eyadéma bei seiner Amtseinführung einen gesundheitlich schwer angeschlagenen Eindruck, obwohl er erst Mitte 60 ist. Jedoch scheint er seit geraumer Zeit schon nicht mehr selbst die Fäden zu ziehen, sondern der ihn umgebenden Clique als Marionette zu dienen. Buchstäblich unter Betten, Fußböden und in Vorgärten leitender Staats- und Parteifunktionäre wurden im vergangenen Jahr im Rahmen einer "Antikorruptionskampagne" Milliarden von unterschlagenen Franc CFA ausgehoben. Die Übeltäter entschuldigten sich und blieben in Amt und Würden - größtenteils durften sie sogar die Beträge behalten. Die Einkünfte des Tiefseehafens von Lomé, über den auch die Anrainerstaaten Burkina Faso, Niger und Mali einen Großteil ihrer Im- und Exporte umschlagen, werden nicht über das Finanzministerium verwaltet, sondern gehen direkt an das Präsidialamt und dienen zur Deckung des wichtigsten Haushaltspostens, dem Armee-Etat. Jedoch sollen bei den regelmäßigen Bargeldtransporten vom Hafen quer durch die Stadt nach "Lomé 2", dem Amtssitz Eydémas - diese Transporte stehen wie der Hafen selbst unter der Aufsicht eines hohen Armeeoffiziers - regelmäßig 25 bis 50 Prozent der Einnahmen spurlos abhanden kommen. Genügend kriminelle Energie und fähige Akteure zur nahtlosen Fortführung der Diktatur Togos sind also offenbar vorhanden.
Indes legte Frankreich einen Entschließungsantrag in der Europäischen Gemeinschaft vor, der vorsieht, die seit 13 Jahren bestehenden Sanktionen gegenüber Togo zu lockern und die staatliche Entwicklungszusammenarbeit wiederaufzunehmen, wie auch Präsident Chirac nicht müde wird, im Chor mit Eyadéma immer wieder zu fordern. Bislang waren es noch politische Gründe, die Frankreich unterstellt werden konnten, an der Seite seines unappetitlichen Freundes auszuharren. Eine Demokratisierung Togos hätte schließlich - was nach 36 Jahren Diktatur nicht weiter verwunderlich wäre - einige politische Erschütterungen im Lande und in der Region auslösen können. Das wäre ein politisches Risiko und könnte die "Stabilität" gefährden, zumal es schon in Liberia und Côte d'Ivoire kriegerische Auseinandersetzungen gibt und das bevölkerungsreiche Nigeria immer labiler wird. Manche meinen auch, Frankreich könne sich nur schwer von seiner Rolle als Kolonialmacht trennen und wolle schlich nach Großmachtmanie eine gewisse Einflusssphäre sichern.
Jedoch dürften die Überlegungen Chiracs und der Seinen weitaus profanerer Natur sein: In den goldenen siebziger und achtziger Jahren, so wird gemunkelt, wurden Millionen an Entwicklungshilfe nach guter Landesitte von den Lichtgestalten afrikanischer Unabhängigkeit - Mobutu, Bokassa und Eyadéma - brüderlich mit den Überbringern geteilt. Ein erklecklicher Prozentsatz der gerade transferierten Summen sei so im Diplomatengepäck postwendend zurück nach Europa gegangen und dort auf Schweizer Nummernkonten deponiert worden. Und hatte Eyadéma im Falle seiner Wiederwahl nicht das Wiedererstehen Togos als "die Schweiz Afrikas" versprochen?
aus: der überblick 03/2003, Seite 51
AUTOR(EN):
Helga Schuster:
Helga Schuster lebt und arbeitet in Togo und berät eine einheimische nichtstaatliche Organisation (NGO).