Streiflichter |
Mehr Markt führt zu einem vielfältigeren Angebot und befriedigt Konsumentenwünsche, heißt es in der Theorie. Dieses Prinzip wird in der Mongolei derzeit für den Bildungsbereich erprobt: freie Schulwahl und Gutscheine (vouchers) für Lehrerfortbildungen sollen, ähnlich wie in den USA, durch mehr Wettbewerb die Qualität des Unterrichts verbessern. Doch grau ist alle (Liberalisierungs-)Theorie - ist doch der Nutzen der freien Schulwahl zweifelhaft in einem Land, in dem die durchschnittliche Entfernung zur Schule 70 Kilometer beträgt. Auch von einem freien Markt der Lehrerfortbildung kann nicht die Rede sein, da es bisher noch zu wenig private Anbieter gibt. Die mongolischen Schulleiter neigen auch dazu, ihre Fortbildungsgutscheine zu sammeln, und Stellvertreter in die Kurse zu schicken, anstatt selbst die Mühen einer Weiterbildung auf sich zu nehmen, geht aus einem am 2. April 2002 in der "Süddeutschen Zeitung" erschienenen Artikel hervor.
Die Mongolei, in der ein Drittel der 2,4 Millionen Menschen Nomaden sind, gehört zu den wenigen Ländern, in denen Frauen gebildeter sind als Männer - die Jungen erben das Vieh, das sie hüten müssen, während die Mädchen lernen "dürfen".
Sechs Jahre lang mussten sie zu Hause bleiben, jetzt kehren afghanische Schülerinnen in die Klassenräume zurück. Viele von ihnen sind inzwischen junge Frauen, die nun mit sechs Jahre jüngeren männlichen Mitschülern gemeinsam die Schulbank drücken. Für viele andere Mädchen ist es der erste Schulbesuch überhaupt: Der Krieg, Vertreibungen und die Taliban-Herrschaft hatten jahrelang vielerorts jeden offiziellen Unterricht von Mädchen unmöglich gemacht. Das Schulsystem insgesamt war fast vollkommen zusammengebrochen, da die Mehrheit der Lehrkräfte Frauen waren, die nicht mehr unterrichten durften. Staatliche Prüfungen sind 13 Jahre lang nicht mehr durchgeführt worden.
Während des Taliban-Regimes war die Unterrichtung von Mädchen nur noch an Geheimschulen oder durch Mütter und Nachbarinnen möglich gewesen. Lesen und Schreiben zu lernen, hat für die Frauen daher noch heute etwas Revolutionäres an sich. Diese Hochschätzung von Bildung sei ein starker Ansporn für die Mädchen, die für ihre Bildung verlorene Jahre möglichst schnell aufzuholen, vermutet Hassina Sherjan, Vertreterin der regierungsunabhängigen Organisation Afghanistan Libre in einem Artikel in der "Neuen Zürcher Zeitung" vom 24. März 2002.
Nach der zwangsweisen Unterbrechung ist der Andrang auf die Bildungseinrichtungen nun entsprechend groß. Viele der Schulen sind allerdings nur noch Ruinen, ohne Tische, Bänke und sanitäre Anlagen. Zum Teil findet der Unterricht auch in Zelten oder unter freiem Himmel statt.
Wie brisant das Thema Mädchenbildung in Afghanistan nach wie vor ist, zeigen die sich häufenden Angriffe auf Mädchenschulen: Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters (16.10.02) bedrohten in der Provinz Wardak im Oktober bewaffnete Männer eine Mädchenschule, und erzwangen ihre Schließung. Dies war bereits die sechste Schule, die im Herbst wegen solcher Angriffe geschlossen werden musste: Fünf weitere Schulen wurden niedergebrannt; vor einer anderen explodierte eine Bombe. In einem Dorf südlich von Kabul wurde neben einer Mädchenschule, auf die ein Anschlag ausgeübt worden war, ein von den Taliban geschriebener Drohbrief gefunden, berichtete die "New York Times" am 1. November 2002. Dieser enthielt die Aufforderung, den von den USA "besetzten" Schulen fernzubleiben, da diese durch die Verbreitung westlicher Werte die Würde der afghanischen Frauen und Mädchen gefährden würden.
Zu Hause bei Mama und Papa Unterricht nehmen? In den USA ist diese Form des Lernens, die sich Home Schooling nennt, offiziell zugelassen. In einigen Bundesstaaten müssen die Kinder, die zu Hause unterrichtet werden, allerdings einmal im Jahr in eine "normale" Schule gehen, um dort Prüfungen abzulegen; in anderen Bundesstaaten ist nicht einmal das vorgeschrieben. Inhalt und zeitlicher Ablauf der Lehrpläne können vollkommen frei gestaltet werden, und eine Notenvergabe ist nicht vorgeschrieben. Die Eltern müssen auch keine bestimmten Fächer studiert haben, um selbst unterrichten zu dürfen.
Propagiert wurde die Legalisierung des Home Schoolings in den achtziger Jahren von konservativen Christen, die das Seelenheil ihrer Kinder in den öffentlichen Schulen gefährdet sahen. Inzwischen gibt es noch eine Reihe anderer Gründe, die Kinder zu Hause zu erziehen: Gewalt an öffentlichen Schulen, die schlechte Qualität des Unterrichts oder die häufigen Umzüge der Eltern veranlassen diese, den Unterricht selbst in die Hand zu nehmen. In der Tat schnitten die Home Schooler beim College-Zugangstest SAT besser ab, als ihre Mitbewerber aus öffentlichen Schulen, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" am 18. Juni. Rund 850.000 amerikanische Kinder werden zu Hause von ihren Eltern unterrichtet; das "National Home Education Research Institute" nennt gar eine doppelt so hohe Zahl. Kritiker sehen die Gefahr, durch das Home Schooling "soziale Krüppel" heranzuziehen, die weltfremd, auf ihre Eltern fixiert und fern von den Einflüssen der gesellschaftlichen Realität aufwachsen.
Die Lernbedingungen an den öffentlichen Schulen in den USA werden immer kurioser: immer häufiger berichten Lehrer von Störungen des Unterrichts durch Handies und elektronisches Spielzeug. Die Schüler scheinen das aber ganz selbstverständlich zu finden. In der "Bethel High School" in Virginia beispielsweise wurde der Unterricht durch ein Klopfen unterbrochen. Als die Tür geöffnet wurde, breitete sich Pizzaduft im Klassenzimmer aus: Ein Schüler hatte per Handy den Pizzaservice in den Unterricht bestellt, da er "nicht mehr zum Mittagessen gekommen war". Die Verblüfftheit seiner Lehrerin über die unerwartete Störung konnte der Schüler überhaupt nicht nachvollziehen, berichtete die "International Herald Tribune" am 17/18.8.2002.
Seit dem 11. September 2001 sind islamische Schulen in Indonesien in Verruf geraten, Kaderschmieden für Terroristen zu sein. Für viele indonesische Kinder aus ländlichen Gegenden jedoch sind Pesantren, die islamischen Internatsschulen, die einzige Möglichkeit eine Schule zu besuchen. Es gibt etwa 40.000 Schulen dieser Art, die flexibel auf die lokale Bedürfnisse reagieren können. So haben sie zwischen zwei Dutzend und mehreren Tausend Schülern. Von sehr Armen wird kein Schulgeld erwartet, wenn sie dafür im Internat kleinere Arbeiten verrichten. Die meisten Pesantren sind privat, werden aber vom Staat anerkannt, wenn sie bestimmte Lehrpläne, eine Quote ausgebildeter Lehrer und eine ausreichende Zahl von Klassenräumen vorweisen können. Oft werden auch Fächer wie Naturwissenschaften und Sprachen gelehrt. Im Mittelpunkt des Pesantren steht der Kyai, der islamische Gelehrte und Lehrer. Je nachdem, welcher religiösen Richtung der Kyai anhängt, erfolgt der Koranunterricht moderat oder fundamentalistisch.
In Malaysia weitet sich die Diskussion um die Einführung von Englisch als Unterrichtssprache zu einem regelrechten Streit um die Frage nach der nationalen Identität aus. Ministerpräsident Mahathir Mohamad erhofft sich, durch die Einführung von Englisch als Unterrichtssprache das Land fit für den globalen Wettbewerb zu machen. Bereits in der Grundschule sollen die naturwissenschaftlichen Fächer in Zukunft auf Englisch unterrichtet werden. Doch dieser Vorschlag sorgt für Aufruhr - er wird als Angriff auf die kulturelle Identität Malaysias gewertet, spaltet die Regierungspartei, und eint die Opposition in ihrem Widerstand gegen die Lehrplan-Änderung.
Mahathir selbst hatte sich in den 1960er Jahren mit nationalistischem Eifer dafür stark gemacht, die damalige Unterrichtssprache Englisch durch Bahasa, eine Sprache der Ureinwohner, zu ersetzen. Die Spuren der britischen Kolonialmächte sollten so auch auf sprachlicher Ebene beseitigt werden. Inzwischen hat Mahathir aber erkannt, dass die Rückbesinnung auf die Nationalsprache dem Land wirtschaftlich eher geschadet hat. Als Beispiel führt die "Far Eastern Economic Review" vom 27. Juni 2002 an, dass die hohe Zahl der arbeitslosen Hochschulabsolventen auch auf deren dürftige Englischkenntnisse zurückzuführen ist. Setzt Mahathir sein Vorhaben durch, laufe er allerdings Gefahr, sämtliche ethnische Gruppen des Landes zu verärgern, so Politikwissenschaftler Noor in dem Artikel.
Salzmannschule im Schnepfental dieser Name weckt kaum kosmopolitische Assoziationen. Doch der erste Eindruck täuscht: An dem von dem Reformpädagogen Salzmann gegründeten Gymnasium in der Nähe von Gotha können Schüler neben drei lebenden europäischen Sprachen nun auch aus drei außereuropäischen Sprachen auswählen. Japanisch, Chinesisch, und in Zukunft eventuell Arabisch stehen zur Auswahl. Zum ersten Mal wird damit in Deutschland versucht, diese Sprachen nicht erst Universitätsstudenten, sondern schon Schülern nahe zu bringen. Die Elf-und Zwölfjährigen werden von Muttersprachlern unterrichtet, die sich auch außerhalb der Kurszeiten zusätzlich etwas einfallen lassen, um die Schüler für den fremden Kulturraum zu begeistern: In der Mittagspause können sich diese unter Anleitung von Japanischlehrerin Mariko Zeita in der Kunst des Origamifaltens üben, berichtete die "Neue Zürcher Zeitung" am 25. November 2002.
Tausende von Schülern von der elften Klasse an wurden in Südafrika daran gehindert, ihre Abschlussprüfungen zu schreiben, da ihre Schulen Zielscheibe von Angriffen Krimineller wurden. Lehrer sind entführt, ausgeraubt, angegriffen und erschossen worden. Das Bildungsministerium musste Sicherheitskräfte anheuern, um die Prüfungsaufsichten gegen solche Angriffe zu schützen; auch Prüfungsunterlagen konnten nur unter Feuerschutz transportiert werden. 28 Schulen in den Kwa Zulu-Natal Midlands wurden geschlossen, und 176 Lehrer an andere Schulen versetzt. Einige der überfallenen Lehrer waren dazu gezwungen worden, vor den Augen der bewaffneten Angreifer Sex mit ihren Schülern zu haben, berichtet die südafrikanische "Sunday Times" am 17. November 2002.
Wäre Vietnam in die Pisa-Studie aufgenommen worden, hätten bayerischen Schüler relativ dumm dagestanden. Dies ergab eine in der "Frankfurter Rundschau" vom 8. August 2002 vorgestellte Studie des "Max-Planck-Institut für psychologische Forschung" in München, die die Leistung von Münchener und Hanoier Grundschülern miteinander vergleicht. Besonders groß sei der Vorsprung vietnamesischer Schüler bei der Rechenfähigkeit. Sie seien aufmerksamer und könnten sich zudem besser konzentrieren. Und dies bei einer Klassengröße von durchschnittlich 50 Schülern. Die Bildungserfolge kommen nicht von ungefähr: Vietnamesische Kinder seien bereit, große Anstrengungen auf sich zu nehmen und steckten viel Zeit ins Lernen. Viele gingen nicht nur zum regulären Unterricht von Montags bis Samstags, sondern nähmen Zusatzunterricht an den Nachmittagen und am Sonntag. An den Hausaufgaben säßen die Kinder bis in die Abendstunden - auch in den Ferien. Hierzu müssten sie noch nicht einmal motiviert werden. Denn ähnlich wie in anderen konfuzianisch geprägten Ländern habe Bildung in Vietnam einen hohen Stellenwert, so die Studie. Schlechtere Schüler würden auch nicht sofort abgeschrieben. Vielmehr herrsche die Überzeugung: Wer sich anstrengt, wird auch Erfolg haben. Und mangelnde Begabung könne durch intensive Bemühungen ausgeglichen werden. Die durchschnittlichen Noten bestätigen dies. Während nur 7 Prozent aller Münchener Grundschüler die Note sehr gut erhielten, schnitten in Vietnam 40 Prozent optimal ab. Da überrascht es nicht, dass sich laut Studie vietnamesische Grundschüler im Vergleich zu ihren Münchener Kollegen mehr zutrauen, weniger an sich zweifeln und optimistischer sind. Und trotz aller Anstrengung seien sie entspannt und fröhlich.
Im Mai 2002, über vierzig Jahre nach seiner Gründung, ist das für Mädchenbildung zuständige "Amt für das Schulwesen der Mädchen" in Saudi-Arabien der Aufsicht der religiösen Machthaber im Land, der Ulemas, entzogen und dem staatlichen Bildungsministerium unterstellt worden.
Der Wechsel zum Staat ist laut der Maiausgabe der Zeitung "Le monde diplomatique" durch den Brand einer Mädchenschule in der Stadt Mekka im März dieses Jahres ausgelöst worden. Dabei waren 15 Mädchen ums Leben gekommen. Der Brand des Hauses, in dem 500 Schülerinnen mehr untergebracht waren als genehmigt, hatte nicht nur den allgemein schlechten Zustand von Schulgebäuden für Mädchen ans Licht gebracht, sondern Kritik an der zuständigen Behörde, den unzeitgemäßen Lehrplänen und Lehrmethoden entfacht.
Zudem war der religiösen Sittenpolizei hay'a, die beispielsweise für die Einhaltung der Schleierpflicht und Trennung von Männern und Frauen in der Öffentlichkeit Sorge trägt vorgeworfen worden, die Rettungsarbeiten behindert zu haben, indem sie Männer davon abhalten wollte, unverschleierte Mädchen zu evakuieren. Damit geriet ganz allgemein der Umgang mit Frauen in Saudi-Arabien in die öffentliche Debatte.
In der Folge der Kontroverse entließ König Fahd den Leiter der Behörde und gliederte diese ins Bildungsministerium ein. Die Behörde war im Jahr 1960 von dem damaligen Kronprinz Faisal eingerichtet und in religiöse Obhut gegeben worden, quasi als Entschädigung dafür, dass er die staatlichen Schulen für Mädchen geöffnet hatte gegen den Willen der Korangelehrten und vieler konservativer Eltern. Damals besuchten nur 2 Prozent aller saudi-arabischen Mädchen eine Schule, heute bilden sie die Hälfte aller 5 Millionen Schüler. An den Universitäten bilden Frauen die Mehrheit der Studierenden.
Einen Monat, nachdem es sie aus dem Schuldienst entlassen hatte, stellte das Ministerium für Bildung, Sport und Kultur in Simbabwe Lehrer mit einem Zeitvertrag für die Dauer der Abschlussprüfungen im November wieder ein. Nach Informationen der Zeitung "Zimbabwe Standard" vom 25. November hatte es sich gezeigt, dass die Lehrkräfte, die anstelle der regulären Lehrer eingestellt worden waren, mangels pädagogischer Ausbildung mit dem Prüfungsverfahren nicht vertraut waren.
Im Oktober waren in Simbabwe über 600 Lehrer vom Dienst suspendiert worden, weil sie an einem nicht genehmigten Streik teilgenommen hatten. Die "Progressive Lehrergewerkschaft von Simbabwe" (PTUZ) hatte dazu ausgerufen, für ein höheres Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen zu demonstrieren.
Als Ersatzlehrer hatte die Regierung auch Absolventen des Border Gezi National Service Training Centre rekrutiert, jugendliche Milizen, die im Präsidentenwahlkampf im März 2002 Menschen mit Gewalt dazu gezwungen haben sollen, Mugabe zu wählen.
Anfang des Jahres schaffte das tansanische Bildungsministerium die Schulgebühren für die siebenjährige Grundschulausbildung ab. Erst da wurde die bildungshemmende Wirkung des Schulgeldes deutlich sichtbar. Dies geht aus einem Artikel von Gerhard Klas in der Zeitschrift "epd-Entwicklungspolitik" hervor. Seitdem die Eltern nur noch für die Verpflegung, den Transport und eventuell die Uniform ihrer Kinder aufkommen müssen, strömen viele der 2,2 Millionen schulpflichtigen Kinder, die nach Schätzung des Ministeriums 2001 dem Unterricht noch ferngeblieben waren, in die Schulklassen. Nicht selten hat ein tansanisches Schulkind nun über hundert Klassenkameraden. Eigentlich hatte die Regierung mit der Schulgeldstreichung weitere 14.000 Unterrichtsräume errichten und 9000 Lehrer einstellen wollen. Weil dies nicht geschah, kürzten manche Schulen den Stundenplan der fortgeschrittenen Schüler und schafften so Platz für die ABC-Schützen. Die vorhandenen Lehrer müssen nun doppelt so viel unterrichten.
Die Regierung Mkapa hatte die Schulgebühren aufgehoben, weil sie zu der Ansicht gelangt war, der Bildungssektor sei von größter Bedeutung für Zukunft des Landes. Entsprechend stockte sie den Etat für das Bildungswesen auf 25 Prozent des Staatshaushalts auf. Das Bildungsbudget wird zu einem Sechstel durch einen Weltbankkredit finanziert. In den achtziger Jahren hatte die Weltbank Tansania die Einführung von Schulgebühren angeraten. Diese sollten die Kürzungen im Bildungsetat ausgleichen, die die Regierung vorgenommen hatte, um einen Weltbankkredit zu erhalten.